Das Wort zum Sonntag Folge 24, ist das „gute Auge“ angeboren?
Immer wieder ist zu hören und zu lesen, dass das gute Auge angeboren sei. Vielfach wird auch behauptet, dass der eine oder andere einfach kein Talent für die Fotografie mitbringt, und dass dies alles auch nicht erlernbar sei! Bevor erfahrene Fotografen auf den Auslöser drücken, führt ihr „fotografisches Auge“ quasi eine Reihe von Gestaltungs-Checks durch. Einfach formuliert prüfen sie das Bild vor der Aufnahme auf mögliche gestalterische Fehler und machen sich Motivwahl, Ausschnitt und Komposition bewusst. Bei vielen geschieht das nach jahrelanger Fotopraxis praktisch im Unterbewusstsein und wird nicht mehr wirklich wahrgenommen.
Allerdings dauert es Jahre, bis wir zu diesem „automatisiert“ ablaufendem Prozess in der Lage sind. Auf dem Weg dorthin bin ich überzeugt davon, dass auch das „künstlerische Sehen“ gelernt sein will! Sicherlich mag es Menschen geben, die in diesem Bereich mit viel Talent und Intuition ausgestattet sind. Sich somit in einer Lage befinden, den meiner Meinung aber immer erforderlichen Lernprozess dadurch etwas abzukürzen. Selbst diese Menschen werden erkennen müssen, dass das künstlerische Sehen trainiert werden kann und sollte. Selbst wenn man talentiert ist, muss dieses Talent trainiert werden! Ohne dieses Training wird es keine Weiterentwicklung geben. Die Bereitschaft, Sehen zu lernen ist daher ein Prozess, der nie aufhört.
Jeder noch so talentierte Musiker wird sich ohne Übung und Bereitschaft, dazuzulernen, nicht weiterentwickeln. Es ist nicht nur das angeborene „Talent“ für eine Sache, die zur Meisterschaft und Virtuosität führt, sondern vor allem das intensive (Aus)Üben. Das bedeutet für mich, wer weniger talentiert ist oder später anfängt, muss lediglich etwas mehr bzw. intensiver trainieren. Jeder kann sein „Auge“ täglich trainieren. Museen, Online-Ausstellungen, Zeitschriften und Magazine bieten täglich eine Fülle von Anregungen.
Wer als Kind schon von seinen Eltern ans Thema „Sehen lernen“ herangeführt wurde, der hat später einen Vorteil, welcher häufig als „Talent“ fehlgedeutet wird. Dazu gehört auch das handwerkliche Geschick, welches durch intensives Üben und Trainieren so perfektioniert werden kann, dass es im Unterbewusstsein abläuft. Damit belastet es den „kreativen Schaffensprozess“ nicht mehr. Ein gutes Auge allein führt allerdings nicht automatisch zu einem guten Foto. Das Bild im Kopf zu einer ansprechenden Aufnahme zu machen, erfordert eben auch handwerkliches Geschick.
Die Grundlagen für sehenswerte Bilder sind neben dem „geschulten Auge“ Neugier, Begeisterung, Spaß sowie eine ständige Auseinandersetzung mit der Fotografie. Denn neben dem handwerklichen Rüstzeug, welches man einfach mit Fleiß erlernen kann und in der Regel nach einem bestimmten Zeitraum abgeschlossen ist, bleibt die Auseinandersetzung mit den Bildern ein lebenslanger „Lernprozess“, der nie aufhört! Das ist auch gut so, denn sonst würde unser Hobby ja irgendwann tatsächlich langweilig werden!
In diesem Sinne schönen Sonntag!
Hier findet ihr meine Kolumne „Nachgedacht“
Meine Rubrik Wort zum Sonntag hier.
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